Wasserhaushalt: Kritikpunkte des Nachweises nach DWA-M 102-4

Das geforderte Verfahren zum Nachweis des Wasserhaushaltes nach dem neuen DWA-Arbeits- bzw. Merkblattkonvolut DWA-A/M 102 (BWK A/M 3) hat einen stark ideologischen Charakter und daher eine Reihe von Kritikpunkten:

·         Bislang gibt es erst aus sehr wenigen „alltäglichen“ Projekten Anwendungserfahrungen, sondern hauptsächlich aus einigen Demonstrationsprojekten im Rahmen von Forschungsvorhaben. Trotzdem wurden die Kernforderungen „Der Wasserhaushalt im unbebauten Zustand ist möglichst weitgehend anzunähern“ und „Das Projektgebiet ist das Gebiet, welches entwässerungstechnisch neu erschlossen ist“ als verbindlicher Arbeitsblattinhalt aufgenommen. Das ist ein Widerspruch zu den Forderungen des Arbeitsblattes DWA-A 400 an Arbeitsblattinhalte.

·         Das Thema Wirtschaftlichkeit wird – gleichfalls entgegen A 400 – nur ganz am Rande thematisiert. Zu Nutzen und Kosten lässt sich Folgendes sagen:

o   Unausgesprochen wird zunächst von einem grundsätzlich sehr hohen Nutzen der Vorgehensweise für alle Projekte ausgegangen, denn nur dadurch begründet sich die Maximalforderung „möglichst weitgehende Annäherung“. A 102-1 fordert hier Konsequenz ein. Es gibt jedoch Projekte, bei denen dieser hohe Nutzen nicht gegeben ist, etwa Gebiete am Waldrand, an einem großen Gewässer oder bei sehr hohem Grundwasserstand.

o   Dass die Maßnahmen auch bei bestimmten Projekten sehr hohe Mehrkosten gegenüber heutiger Praxis verursachen können, wird weitgehend verschwiegen; in A 102-2 werden nur Mehrkosten für die Planung erwähnt. Es wird jedoch recht häufig vorkommen, dass für einen Einfamilienhausneubau dort, wo man nicht versickern kann, ein Gründach und eine Regenwassernutzungsanlage für einen fünfstelligen Betrag plus jährlichen Wartungsaufwand zur Auflage gemacht werden.

o   Als besonderer Kostenfaktor kann insbesondere der Flächenbedarf für Grünflächen gesehen werden. Auch wo z.B. aus städtebaulichen Gründen ohnehin größere Grünflächenanteile wünschenswert sind, führt oft der Wasserhaushaltsnachweis zu einem Flächenmehrbedarf. Setzt man dafür nur 5 % der Gesamtfläche, aber für alle Projekte an, so würde dies beim derzeitigen Flächenverbrauch von ca. 50 ha/Tag = 18 250 ha/Jahr und Grundstückkosten von 100 €/m² deutschlandweit zu volkswirtschaftlichen Mehrkosten von ca. 18 250 · 0,05 · 100 · 104 =  913 Mio. € pro Jahr führen. Freilich ist das eine sehr vereinfachende Rechnung. Es stehen aber potentielle Kosten in einer Größenordnung im Raum, die es unabdingbar machen, für die Wirtschaftlichkeit strenge Kriterien einzuführen – was A 102 aber nicht leistet.

o   Die Arbeits-/Merkblattreihe erwähnt zwar die Möglichkeit zu Kostenvergleichsrechnungen nach einschlägigen Methoden, aber fordert diese vom Nutzer nicht ein und legt auch keinen Ermessensspielraum für erkennbar unwirtschaftliche Maßnahmen fest. Vielmehr verhält sich derjenige rechtssicher, der die Forderung nach Annäherung des lokalen Wasserhaushalts an den unbebauten Zustand möglichst weitgehend – und damit oft aufwändig – erfüllt. Es besteht die Gefahr, dass dadurch künftig zahlreiche sehr unwirtschaftliche Maßnahmen umgesetzt und auch nicht mehr hinterfragt werden.

·         Eine Bagatellgrenze für Flächen ist bislang nicht formuliert.

·         Benachbarte Gebiete dürfen beim Wasserhaushaltsnachweis nicht berücksichtigt werden. Daher wären z.B. für einen neuen Aussiedlerhof mit großem versiegeltem und stärker verschmutztem Flächenanteil relativ weitgehende Maßnahmen erforderlich, obwohl der Nutzen erhöhter Versickerung und Verdunstung in Anbetracht der großen unbebauten Flächen ringsum nur sehr gering sein dürfte.

·         Klauseln für Gebiete z.B. mit künstlicher Grundwasserabsenkung infolge von Bergsenkungen oder mit umgebender großflächiger landwirtschaftlicher Bewässerung fehlen.

·         Einige hydrologische Größen werden z.B. aus dem Hydrologischen Atlas Deutschland abgeleitet, der aber ein relativ grobes Regionalisierungsverfahren enthält. Speziell für kleine Projektgebiete ergibt sich dadurch eine Pseudogenauigkeit. Um lokale Gegebenheiten des Wasserhaushalts genauer erfassen zu können, sind dann aufwändigere Verfahren erforderlich.

·         Es wird nicht berücksichtigt, dass auch der natürliche Wasserhaushalt zwischen einzelnen Jahren erheblichen Schwankungen unterliegt.

·         Die in M 102-4 genannte Abweichung von 10 Prozentpunkten hat den Charakter eines Grenzwertes, ist aber nur ein in einigen Fällen mögliches Rechenergebnis, das sich als Kriterium weder am Nutzen noch an den Kosten orientiert.

Autor: G. Weiß · Revisionsstand: 22.02.2021